Das versprochene Datum der Aufschaltung des ersten Reiseberichts ist eindeutig überschritten, doch schlafe ich trotzdem noch immer wunderbar. Nein, auch habe ich kein schlechtes Gewissen, doch gewisse eindeutige Aufforderungen, speziell aus dem süddeutschen Raum, lassen mich eiligst zur Tastatur greifen um schnell die ersten Zeilen zu schreiben. Bevor ich jedoch mit dem eigentlichen Bericht der ersten Tage beginne, sollte kurz ein Résumé unseres Aufenthaltes in der alten Heimat erzählt sein.
Liebenswerte Schweiz
Wie schon bei den letzten Aufenthalten pendelten wir einige Male von der Ostschweiz, unserem Wohnsitz bei meiner lieben Schwester, und unserer alten Wohngemeinde Himmelried hin und her. Während ca.18 Tagen hüteten wir unser ehemaliges Daheim mit Katzenvieh, wohlverstanden unsere ehemaligen, um danach zwei Häuser weiter in den Wulliweg, zu Brigitte und Oliver zu ziehen. Ach ihr lieben, ehemaligen, Nachbarn, was wären wir ohne eure grenzenlose Gastfreundschaft. Unsere absolut einmaligen Bekannten Monika und Urs von der Fordgarage in Breitenbach sorgten sich um unsere Mobilität und stellten uns einen tollen Ford Mondeo zur Verfügung.
Kaum etwas eingelebt und dem schweizerischen Standard angepasst, verwirkliche ich einen lang gehegten Plan. Ich marschiere ohne Hemmungen in die „noble BMW-Vertretung“ in Basel und kaufe mir eine leicht gebrauchte, daher fast neuwertige BMW 1200 GS. Das nötige Zubehör bekomme ich gleich mit dazugeliefert. Von nun an fangen meine Augen an zu leuchten, das alte Herz bekommt das Flimmern, nach wenigen Versuchen bin ich fast wieder das alte Rauhbein, wie damals vor mehr als 25 Jahren. Ich kriege alte Mountainbike-Freunde dazu ihre verstaubten, fast ungebrauchten Maschinen hervorzuholen um die schöne Schweiz zu erkunden. Auch in der Ostschweiz finde ich in Remo, Bruno und Stöffel altgediente Haudegen, die mir auf einer ausgedehnten Tour durch Österreich das Fürchten lehren. Selbst meine, sonst eher ängstliche, Raymonde findet Freude daran auf gemächlichen Touren als Sozius
die Schweiz zu erkunden.
Nach fast 4000 Kilometern Kurvendonnern packe ich wenige Tage vor unserer Abreise, wehmütig und mit Tränen in den Augen, mein gutes Stück unter eine Plane und sage Tschüss. Der Plan einerer grösseren Reise auf dem Motorrad, vielleicht ans Kap der guten Hoffnung, nimmt langsam Formen an.
Paraiso Suizo
Im Charles de Gaulle Airport in Paris treffen wir auf Marion und Bernd aus Hamburg, unsere alten Reisepartner vergangener Zeiten und feiern in kleinem Rahmen das Wiedersehen. Mit ihnen starteten wir unsere lange Reise im April 2011 in Australien, hatten uns aber seither etwas aus den Augen verloren. Ein wenig per Zufall hatten wir den gleichen Flug von Paris nach Buenos Aires gebucht. Da das Schiff mit ihrem Auto an Bord aus Hamburg kommend Verspätung hat, werden sie die Wartezeit mehrheitlich in Buenos Aires verbringen um dann nach Montevideo überzusiedeln, wo der Container ausgeladen werden soll.
Wohlbehalten aber sichtlich gezeichnet landen wir bei miserablem Wetter in Montevideo. Mit dem Bus erreichen wir kurze Zeit später die Einfahrt zum Paraiso Suizo und werden von Heinz abgeholt. Alles klappt wie am Schnürchen.
Silvia und Heinz Stüssi, die Besitzer der Campsite und Autoeinstellplatzes, heissen uns herzlich willkommen. Der „Alte“ wird vorgefahren und wir sind wieder im Besitz unserer eigenen vier Wände auf Rädern. Drei weitere Reisefahrzeuge stehen auf dem Platz und jeder kommt freundlich auf uns zu um uns Willkommen zu heissen. Bei Lilo und Ralph aus der Schweiz bekommen wir in ihrem Camper erst einmal einen Kaffee serviert, das fängt schon einmal gut an.
Endlich haben wir etwas Zeit unsere mitgebrachten Sachen auszupacken und das Auto wieder auf Vordermann zu bringen. Das Wetter wird immer besser doch die Abende bleiben kühl bis kalt. Wir wagen unser Vorzelt auszupacken und aufzustellen was uns einen zusätzlichen windgeschützten Raum von 9m² beschert. Zu viert, mit Catherine und Pierre, verbringen wir lustige Abende in dieser geschützten Umgebung, schmieden Pläne für ein späteres Treffen im Nordwesten von Argentinien.
Die Campsite von Silvia und Heinz ist eigentlich nichts Besonderes. Der Preis mit 22 Franken pro Nacht scheint auf den ersten Blick etwas teuer, doch schlussendlich fühlen wir uns hier sauwohl. Von den sauberen Toiletten und der Waschmaschine angefangen über den erstklassigen Brötchenservice jeden Morgen, ein auf dem Platz funktionierendes Internet über den regelmässigen Nachschub neuer Weltenbummler, alles ist vorhanden was wir sonst in Südamerika an den meisten Orten kläglich vermissen. Silvia und Heinz sind extrem hilfsbereit und schaffen mit ihrer schweizerischen Art, einen Platz des lockeren Beisammenseins.
Über mehrere Tage verteilt verbaue ich die mitgebrachten Teile im Auto ohne mich dabei zu überarbeiten. Schliesslich muss man sich ja auch um die Nachbarn kümmern und den Kontakt aufrechterhalten. In der Regel hält man sich dabei an einem Glas fest, prostet sich gegenseitig zu und plaudert aus dem Leben. Es ist doch immer wieder toll, neue Leute kennen zu lernen.
Langer Weg westwärts
Endlich schaffen wir den Absprung, verabschieden uns von all denen die entweder in die Heimat zurück verschiffen oder nordwärts in Richtung Brasilien fahren wollen. Auf dem Weg nach Montevideo durchfahren wir eine Gewitterfront die uns fast an den Strassenrand zwingt, da kurzerhand die Landschaft in den Fluten zu versinken droht. In der Hauptstadt angekommen treffen wir uns mit Marion und Bernd, die unterdessen von Buenos Aires hierher umgezogen sind und nehmen uns für eine Nacht im gleichen Hotel ein Zimmer um den Abend mit ihnen verbringen zu können. Die Idee mit ihnen einen kleinen Teil der Reise gemeinsam zurückzulegen muss verschoben werden. Da die Reederei Grimaldi noch weitere Tage Verspätung für ihr Schiff ankündigt weden sie somit gezwungen eine weitere Woche im nicht gerade berauschenden Montevideo zu verbringen.
Über den weiteren Weg in Richtung Córdoba gibt es wenig zu berichten, denn die Landschaft ist flach und daher völlig uninteressant. Das El Niño Jahr hat auch hier seine Spuren hinterlassen, die heftigen Regenfälle der letzten Wochen und Monate haben weite Teile der Weideflächen überflutet und eine wahre Seenlandschaft entstehen lassen.
In Villa General Belgrano, kurz vor Córdoba angekommen, legen wir eine mehrtägige Verschnaufpause ein. Bei Bettina und Ralf Lage auf dem Camping La Florida lässt es sich aushalten und locker mehrere Tage verbringen. Doch auch hier öffnet jeden Nachmittag der Himmel seine Schleusen und heftige Gewitter laden Unmengen von Wasser über der Region ab. Das unstete Wetter scheint uns treu zu bleiben.
Von Villa Carlos Paz aus tuckern wir gemütlich auf einer Holperpiste über die Sierra de Cordoba westwärts. Erst jetzt haben wir den Eindruck in der richtigen Umgebung gelandet zu sein und mit der Abfahrt von der Sierra de Pocho hinunter in die Pampa sogar die ersten spektakulären Ausblicke geniessen können. Die Schlafplatzsuche gestaltet sich selbst hier in fast menschenleerer Landschaft als äusserst schwierig. Wie überall in Südamerika säumen Zäune links und rechts der Strasse unseren Weg.
Mit dem Erreichen des kleinen Örtchens Villa Unión taucht endlich die eindrückliche Cordillera de los Andes in unserem Blickfeld auf. Auf der kleinen und erstaunlich sauberen Campsite Liz Grey mitten im Ort verbringen wir zwei ruhige Tage bevor wir den Weg zum Paso Agua Negra über die Andenkette einschlagen.
Aus verständlichen Gründen sind in diesen ersten Tagen keine erstaunenswerte Fotos entstanden. Man möge mir das verzeihen. Ich werde mich bemühen in Zukunft das oft schlechte Wetter in edlen Sonnenschein und den südamerikanischen Unrat in blühende Wiesen zu verwandeln auf das meine Lust das fotografisch festhalten zu wollen, wieder ansteigen wird.
Grüsse aus Tongoy, Coquimbo, Chile